Akkuschrauber statt Cocktail

Mai 16, 2021 Off By BlauerEngel

Von Gastautor Max

Hallo zusammen. Ich bin Max und komme gerade von meinem Kurztrip in die Schlagmühle zurück.

Den Urlaub hatte ich auch bitter nötig, denn durch die Arbeit und besonders diesen einen Tag war ich urlaubsreif.

Ich arbeite in einer Behörde und das heißt im Klartext, dass ich den ganzen Tag an einem Schreibtisch sitze, eine Tasse Kaffee nach der anderen trinke und täglich Aktenberge von der Höhe des Mount Everest abarbeite.

Nicht falsch verstehen: Ich mag meinen Job, aber es gibt manche Tage, an denen ich mein Dasein als Herr über die Anträge verfluche und an diesem Freitag, wo unsere Geschichte beginnt, gab es nicht genügend Flüche, um den Tag angemessen zu beschreiben oder eher zu verfluchen.

Seit nun schon vier Stunden und drei Tassen Kaffee saß ich an meinem Schreibtisch und arbeitete an einem einzigen Antrag, während der Stapel mit den unbearbeiteten Anträgen stetig wuchs.

Es gibt Anträge, die man in zehn Minuten fertig hat, aber dieser Antrag war ein einziger Arbeitszeitfresser. Der Gesetzgeber versteht es wirklich, in seinen Anträgen nach den seltsamsten Dingen zu fragen, denn neben den üblichen Verdächtigen wie Personalausweis- und Steuernummer wurde in diesem Antrag auch nach der Blutgruppe des Hamsters oder nach Einträgen im Klassenbuch aus der 1. Klasse gefragt.

Mein Job war es nun, diese ganzen Daten in diversen Programmen einzugeben, die so exotische Namen wie „Kakadu“ oder „Aorta“ tragen. Fragt mich nicht, für was die Namen eigentlich stehen. Wahrscheinlich ist es irgendeine komplizierte Abkürzung oder die Entwickler haben sich nur einen Spaß erlaubt.

Endlich. Der Antrag war fertig bearbeitet. Mit einem Seufzer der Erleichterung klickte ich auf die Schaltfläche „Senden“ und war gedanklich schon bei meiner vierten Tasse Kaffee. Doch dann:

„ICH HAB DEINE GANZE ARBEIT GELÖSCHT UND DU MUSST VON VORNE ANFANGEN“

Okay. Das stand da nicht. Tatsächlich stand da:

„Fehlercode 666. Ein unvorhersehbarer Fehler ist aufgetreten. Bitte starten Sie das Programm neu“

Ich blickte fassungs- und ratlos auf den Bildschirm. Tausendundein Gedanke rasten mir durch den koffeingetränkten Kopf und nicht wenige handelten davon, den Bildschirm in 1920 Einzelteile zu zerschlagen. Aber ein anderer Gedanke tauchte in greller Neonschrift vor meinem geistigen Auge auf:

Ich brauche Urlaub.

Ich ging ins Büro meiner Chefin und stellte sie vor die Wahl: Entweder bekam ich eine Woche Urlaub oder…. Zur Alternative kam ich gar nicht, denn meine Chefin genehmigte mir den Urlaub umgehend. Vielleicht lag es daran, dass ich noch sehr viel Resturlaub hatte oder mein Gesichtsausdruck eine sehr klare Sprache sprach:

Gebt mir Urlaub oder es gibt Ärger.

Doch nachdem ich den mit zittrigen Händen unterschriebenen Urlaubsantrag in den Händen hielt, stellte ich mir die Frage, was ich denn im Urlaub machen wollte und vor allem wo? Urlaub in Zeiten von Corona? Was soll man denn da großartig machen und wo soll ich den verbringen?

Doch dann ging mir ein Licht auf. Ich hatte doch Klaus und Sabine ewig nicht mehr gesehen. Außerdem hatte ich ihr Domizil in der Schlagmühle noch nie mit meinen eigenen bebrillten Augen gesehen. Ich kannte die Schlagmühle wie mancher Leser hier nur aus diesem Blog.

Klaus hatte mich schon vor langer Zeit eingeladen, aber bisher hatte sich nicht die Gelegenheit ergeben. Nun war der Augenblick gekommen.

Smartphone gezückt und Nachricht ans Reisebüro „Schlagmühle“ geschrieben. Prompt kam die Buchungsbestätigung bestehend aus einem „Gerne, wenn die Coronazahlen stimmen“ und einem freudigen Smiley. Und das Virus hatte Erbarmen. Am Donnerstagmittag kam ich für einen Kurztrip in der Schlagmühle an und sofort fiel der ganze Alltagsstress von mir ab. Keine Gedanken mehr an die ganzen Paragraphen und Anträge, die mich sonst bis in meine schlimmsten Albträume verfolgten.

Eigentlich hätte ich jetzt in der Hängematte „abhängen“ können, ein gutes Buch in der einen und einen Cocktail in der anderen Hand, und mich von dem Aktenterror erholen. Aber einfach nur rumhängen sorgt bei mir schon nach kurzer Zeit für Langeweile und das ist auch nicht im Sinne des Erfinders.

Wer diesen Blog regelmäßig liest, weiß, dass es in der Schlagmühle nie langweilig wird und es immer was zu tun gibt.

Was könnte ich also tun?

Sabine im Garten helfen? Nee…, das will ich ihr nicht antun, denn ich habe keinen grünen sondern einen schwarzen Daumen; bei mir gehen selbst Plastikpflanzen ein, wenn ich sie nur schief anblicke und habe deswegen in jedem Gartencenter der Republik präventiv Hausverbot.

Eines von Klaus aktuellen Projekten war der Einbau einer Treppe in den alten Stall. Vorher hatte er schon einen neuen Boden gelegt und das Dach neu abgestützt. Meine handwerklichen Fähigkeiten reichten zwar gerade aus, um ein Ivar-Regal halbwegs fehlerfrei aufzubauen, aber in der Schlagmühle lautete das Motto in Bezug auf Handwerk „Learning by doing“.

So standen wir also auf dem neuen Boden des Stalls und vor uns ein schmalles Paket, in dem sich die Treppe befand. Nachdem das Paket geöffnet war, war erste Bestandsaufnahme. Bretter in unterschiedlicher Größe und Breite, die zusammengebaut eine Treppe ergeben sollten, dazu noch unzählige Schrauben und eine aus meiner Sicht viel zu kurze Bauanleitung.

Feierlich drückte mir Klaus das wichtigste Werkzeug eines jeden Heimwerkes in die Hand: den Akkuschrauber.

Oh je. Ich und Werkzeug und dann auch noch Werkzeug mit Batterien. Ich bin ja schon froh gewesen, wenn ich es geschafft hatte, einen Nagel in die Wand zu hämmern, ohne mich dabei selber an die Wand zu nageln. Und jetzt sollte ich mit einem Gerät arbeiten, was Schrauben innerhalb von Sekunden in Holzbalken treibt und wahrscheinlich auch keinen Unterschied zwischen Holz und meiner Hand machen würde.

Aber wie gesagt „Learning by doing“. Unter der Aufsicht meines Vorarbeiters schaffte ich es tatsächlich ohne Blutvergießen, die komplette Treppe zusammenzuschrauben. Kritisch beäugte ich das Ergebnis, nachdem ich die letzte Schraube mit einem protestierenden Aufschreien des Akkuschraubers im Holz versenkt hatte.

Joar. Passt.

Das war der leichte Teil, denn die eigentliche Arbeit fing nun erst an. Gemeinsam hoben und schoben wir die Treppe durch das Loch in der Decke auf den Boden des ehemaligen Stalles, nur um festzustellen, dass es die Erbauer des Stalles es damals mit einem ebenerdigen Boden wohl nicht so ganz genau genommen hatten. Wie bei vielen alten Gebäuden hatte man wohl die Steine genutzt, die man gerade zur Hand hatte oder die im nahe gelegenen, ortseigenen Steinbruch so rumlagen. Dieses unebene Kopfsteinpflaster war mehr als ungeeignet, um eine Treppe darauf zu setzen.

Aber da kam uns die rettende Idee: Ein Podest, um die Unebenheit des Bodens auszugleichen.

Also schnappten wir uns zwei im Stall herumliegende Balken, legten diese parallel zur Wand, dann Bretter drauf und dann mit dem Akkuschrauber und sehr vielen Schrauben die Bretter festgeschraubt.

Noch eine Schraube und dann ist das Podest fertig

Jetzt nur noch die Treppe befestigen und fertig. Gedanklich waren wir schon in der Mittagspause, aber die musste noch warten, denn es lief nicht Alles nach Bauplan.

Die Treppe hat standardmäßig eine Länge von knapp 2 Meter 90 und wird je nach Bedarf zugeschnitten. Aber durch den unebenen Boden und den dadurch verbundenen Ausgleich durch das gerade eben erbaute Podest schloss die Treppe oben nicht richtig ab, d.h. keine der zuvor montierten Treppenstufen schloss ab und es bestand akute Stolpergefahr.

Was also tun?

Rettung nahte in Form von Oswin, der an diesem Tag da war, um an dem Geländer für den Balkon zu arbeiten. So holte Klaus sich seinen fachmännischen Rat ein. Die Kurzfassung des Gespräches mit dem Fachmann:

Verändert den Winkel der Treppe leicht, so dass eine Treppenstufe genau oben anschließt und erst zum Schluss die Säge ihr Werk tun lassen.

Gesagt, getan oder in diesem Fall geschraubt.

Mittels zweier großen Stuhlwinkel und wahrscheinlich zu vielen Schrauben – ich gehe da lieber auf Nummer sicher – wurde dann die Treppe an dem von uns erbauten Podest und am Balken oben festgeschraubt.

Mittagspause.

Nach der Stärkung mit einer Pizza aus der Turnhalle ging es weiter, denn eine Treppe braucht auch ein Treppengeländer, was im Preis bzw. im Paket mit enthalten war.

So begann ich dann in kompletter Eigenregie das Geländer anzuschrauben. Allerdings mit einigen teilweise nicht jugendfreien Flüchen als Untermalung, denn die Hölzer verrutschten gerne. Aber zum Glück gab es mehr als genügend Schraubzwingen und Wasserwaagen im Haus.

Unten war nun alles gesichert, aber was war mit oben? Ein Loch im Boden lud doch gerade dazu ein, dass man durchfiel; jedenfalls würde es mich definitiv einladen. Zum Glück mangelt es auf der Schlagmühle nicht an Bauholz.

So kam der Akkuschrauber an diesem Tag ein letztes Mal zum Einsatz, als wir dieses Geländer bauten, und als die letzte Schraube tief im Holz steckte verstummte der Akkuschrauber für diesen Tag endgültig.

Jetzt fehlte nur noch die Bauabnahme, die von Sabine höchstpersönlich durchgeführt wurde, und nachdem sie keinerlei Beanstandungen an unserem Werk hatte, hoben Klaus und ich erleichtert den Daumen.

Und damit endet auch dieser Eintrag in diesem Blog.

Danke fürs Lesen und keine Sorge, die nächsten Beiträge sind dann wieder vom Blauen Engel höchstpersönlich.